Die sechste schweizerische Landesausstellung vor bald einem Vierteljahrhundert in der Drei-Seen-Landschaft war mutmasslich die letzte ihrer Art.
Der Bundesrat hat zwar einen Gesetzesentwurf in der Vernehmlassung, der die Förderung von Landesausstellungen im Namen trägt – doch faktisch versenkt er damit eine Schweizer Tradition. Dies jedenfalls ist die Ansicht der aktuellen Expo-Initianten.
Svizra 27, das am weitesten fortgeschrittene Projekt einer Expo in den Nordwestschweizer Kantonen, schreibt nun in einer Stellungnahme:
Das Gesetz schaffe Hürden und Unsicherheiten, statt Klarheit und Motivation. Keine regionale Organisation werde künftig mit Millionenaufwand in Vorleistung gehen, wenn sich der Bund nicht mit einer Finanzierungszusage zu einer Durchführung bekennt. Doch exakt eine solche Zusage ist mit dem neuen Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen.
Der Bund hält sich jede erdenkliche Hintertür offen, um sich um Verbindlichkeit zu drücken. Bereits der erste Artikel des mutmasslichen Expo-Verhinderungsgesetzes ist in Möglichkeitsform abgefasst: «Der Bund kann die Durchführung von Landesausstellungen fördern». Nach vielen weiteren Vorbehalten und Relativierungen heisst es zur Finanzhilfe: Der Bund gewähre eine solche in Höhe von «höchstens 30 Prozent» des Aufwands. Aber auch dies nur, wenn Kantone und Gemeinden in mindestens gleicher Höhe mitfinanzierten und die weiteren 40 Prozent privatwirtschaftlich abgesichert seien. Auf keinen Fall werde er eine Defizitgarantie leisten.
Auch Nexpo, das zweite etablierte Expo-Projekt, getragen von den Städten, hält auf Anfrage fest:
Seit zehn Jahren sind Projektteams von Svizra 27, Nexpo, aber auch jene der kleineren Projekte Muntagna und X27 mittlerweile an der Arbeit. Die Zahl 27 im Namen zweier Teams besagt, wann die Ausstellung eigentlich hätte stattfinden sollen: 2027. Davon ist längst keine Rede mehr. Doch in die Vorbereitungen sind alleine bei den grossen Projekten bisher gut zehn Millionen Franken geflossen, finanziert von Unternehmen der Privatwirtschaft, Kantonen und Gemeinden.
Den Gesetzesentwurf hat der Bundesrat knapp vor der Sommerpause in die Vernehmlassung geschickt – mit der gleichzeitigen Feststellung, dass es weder in den 20er- noch in den 30er-Jahren des Jahrhunderts Bundesgeld für eine Expo geben werde. Die Staatskasse lasse eine solche Ausgabe nicht zu, lautet die negative Finanzperspektive für die nächsten 15 Jahre. Nexpo-Geschäftsführerin Christina Hanke sagt, dieser Entscheid sei nicht nur «zutiefst enttäuschend», er sei auch «völlig überraschend» erfolgt.
Die Expo-Akteure sehen sich getäuscht. Unverbindlich zwar, doch repetitiv sprach Bundesrat Johann Schneider-Ammann noch davon, der Bund werde bei einer Expo, die maximal eine Milliarde Franken kosten dürfe, 500 Millionen Franken beisteuern. Unklar schien einzig, wie stark er sich bei der Organisation engagiere. Noch 2022 hätten der Bundesrat und die Konferenz der Kantonsregierungen ausdrücklich zur Initiierung neuer Landesausstellungen aufgerufen, klagt nun Svizra 27. Die Initianten hätten allerdings wahrnehmen können, wie der Bundesrat bereits im Jahr darauf zurückkrebste.
Im Verwaltungsbericht vom November 2023, mit dem der Bundesrat die Rahmenbedingungen einer künftigen Expo präzisieren liess, war bereits kein Support mehr zu erkennen. Das 40-seitige Schreiben ist vielmehr geprägt von den traumatischen Erinnerungen an die letzte Landesausstellung. Die als organisatorischer Murks in die Geschichte eingegangene Expo.02 kostete die Eidgenossenschaft schliesslich 900 statt der maximal vorgesehenen 500 Millionen Franken. Ein solches Szenario dürfe sich unter keinen Umständen wiederholen.
Wie wenig dem Bund an einer Expo gelegen ist, zeigt sich auch an der Organisation. Als sei sie noch – wie in den Anfängen der Landesausstellungen – eine Leistungsschau der Schweizer Wirtschaft wurde das Dossier dem Wirtschaftsdepartement anvertraut, das es an das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) delegierte. Vornehm aussen vor blieb etwa das Departement des Innern, das die Kultur verantwortet. Das grösste identitätspolitische Projekt der Schweiz wurde damit zum Instrument der Wirtschaftsförderung degradiert.
Entsprechend unverbindlich blieben die Gespräche mit der Bundesverwaltung, wie Involvierte erzählen. Weder in der Verwaltung noch in der Regierung fand sich ein Fürsprecher oder eine Fürsprecherin mit dem Potenzial, sich als Monsieur oder Madame Expo zu inszenieren. Daran änderte weder der Einzug von Elisabeth Baume-Schneider noch jener von Beat Jans in die Landesregierung. Dabei waren beide als Kantonsvertreter noch in die Organisation von Svizra 27 eingebunden. Wortkarg blieb auch Guy Parmelin. Während einer seiner Vorgänger, Jean-Pascal Delamuraz, noch aus einem Bauchentscheid heraus die Drei-Seen-Landschaft zum Austragungsort der Expo.02 gekürt hatte, ist für ihn der Verzicht auf eine Expo ein Sparbeitrag seines Departements.
Schnöde auf das Abstellgleis gefahren hat Bundesbern auch die Alt-Bundesrätin Doris Leuthard, die sich als Co-Präsidentin der Svizra 27 zur Verfügung gestellt hat. Statt Einfluss nehmen zu können, wie sich die Promotoren von ihr erhofften, oder in Gedanken schon feierlich die neue Expo eröffnen zu können, was ihr ein weiterer Eintrag im Geschichtsbuch garantiert hätte, hat sie nun die Beerdigung der Svizra-27-Pläne zu organisieren. Offen ihre ehemaligen Kollegen im Bundesrat zu kritisieren, hütet sie sich.
Die Frustration der Expo-Initianten ist derzeit noch gut cachiert. «Ich bin ein Marathon-Läufer», sagt etwa eine resignationsresistenter Svizra-27-Geschäftsführer Jost Huwyler. Von Aufgeben ist keine Rede. Auch die Nexpo hält offiziell an der Machbarkeit ihrer Machbarkeitsstudie fest, die derzeit erarbeitet wird. Darin soll mit grossem Aufwand ein Projekt konkretisiert werden, dem allerdings schon jetzt die finanzielle Basis entzogen ist.
In den nächsten Wochen werden die zuständigen Führungsgremien entscheiden, wie sie ihre Projekte würdig zu ihrem Abschluss bringen; still und leise oder mit einer Expo-Ultralight, um anzudeuten, was bei einer echten Expo möglich gewesen wäre. Oder bloss, um die verbliebenen Projektmittel zu verbrauchen.